SALUT Kosmos – Sigmund Jähn, Sojus 31 und die sozialistische Raumfahrt

Am 26. August 1978 schrieb die DDR Raumfahrtgeschichte: Mit Sojus 31 startete Oberst Sigmund Jähn als erster Deutscher ins All. Der Flug zur Raumstation Salut 6 war wissenschaftlich bedeutsam, politisch symbolträchtig und Ausdruck der engen deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit im Rahmen des Programms Interkosmos. Dieser Beitrag erzählt die Geschichte hinter der Mission, porträtiert die Besatzung, ordnet wissenschaftliche Ergebnisse ein und blickt auf die Meilensteine, die diesen Erfolg möglich machten.

Sigmund Jähn und Waleri Bykowski nach der Landung der Sojus 31 im September 1978, wohlbehalten und erfolgreich zur Erde zurückgekehrt
Am 3. September 1978 landeten Sigmund Jähn und Waleri Bykowski nach ihrer gemeinsamen Sojus 31 Mission sicher in der kasachischen Steppe. Die beiden Kosmonauten hatten mehrere Tage auf der Raumstation Salut 6 verbracht, wissenschaftliche Experimente durchgeführt und kehrten nach insgesamt 124 Erdumläufen erfolgreich zurück. Ihre Rückkehr wurde in der DDR und in der Sowjetunion mit großem Jubel gefeiert und gilt bis heute als historischer Meilenstein der deutsch sowjetischen Raumfahrtgeschichte.

Sigmund Jähn – Herkunft, Ausbildung, Überzeugung

Geboren: 13. Februar 1937 in Rautenkranz, Kreis Klingenthal
Herkunft: Sohn eines Sägewerksarbeiters, erlernte nach der Grundschule den Beruf des Buchdruckers.
Armee & Partei: Mit 18 Jahren Eintritt in die bewaffneten Kräfte der DDR; Mitglied der SED.
Fliegerische Laufbahn: Ausbildung zum Jagdflieger an der Offiziershochschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung „Franz Mehring“; über 1000 Flugstunden, Leistungsklasse I.
Studium in der UdSSR: Mehrjährige Qualifizierung an der Militärakademie der Luftstreitkräfte „Juri Gagarin“.
Familie: Verheiratet, zwei Töchter (zur Zeit des Fluges 20 und 12 Jahre alt).

Jähn verkörpert den sozialistischen Aufstiegsweg: vom Lehrberuf zum Offizier und Fliegerkosmonauten, getragen von Disziplin, Technikbegeisterung und politischer Überzeugung.

Sigmund Jähn im Raumanzug nach seinem historischen Sojus 31 Flug 1978 als erster Deutscher im All
Das Bild zeigt Sigmund Jähn, den ersten Deutschen im Weltraum, nach seiner erfolgreichen Mission mit Sojus 31 im Jahr 1978. Der Oberst der Nationalen Volksarmee der DDR absolvierte als Forschungskosmonaut zusammen mit Waleri Bykowski einen mehrtägigen Aufenthalt auf der Raumstation Salut 6. Nach seiner Rückkehr wurde er sowohl in der Sowjetunion als auch in der DDR mit höchsten Ehrungen ausgezeichnet, darunter Held der DDR und Held der Sowjetunion. Das Bild erinnert an einen historischen Meilenstein der Raumfahrtgeschichte und an die enge deutsch sowjetische Zusammenarbeit im Rahmen des Interkosmos Programms.

Waleri Bykowski – der erfahrene Kommandant

Geboren: 2. August 1934 in Pawlowski Posad (Moskauer Gebiet)
Ausbildung: Katschinsker Militärfliegerschule; Dienst in Fliegertruppenteilen der Sowjetarmee
Kosmonautenlaufbahn: Aufnahme 1960 in die Kosmonautengruppe; erster Raumflug Wostok 5 (Juni 1963)
Akademische Qualifikation: 1968 Abschluss der Militärakademie für Ingenieure der Luftstreitkräfte „Prof. N. J. Shukowski“; 1973 Promotion zum Kandidaten der Technischen Wissenschaften
Zweiter Raumflug: September 1976
Ehrungen: Zweifacher Held der Sowjetunion; nach Sojus 31 auch „Held der DDR“
Familie: Verheiratet, zwei Söhne

Bykowski brachte als Kommandant Erfahrung, Ruhe und technische Souveränität in die Mission ein – ideale Voraussetzungen für eine komplexe Kopplungs- und Arbeitsphase an der Raumstation.

Waleri Bykowski im Raumanzug als Kommandant der Sojus 31 Mission 1978, erfahrener sowjetischer Kosmonaut und später Held der DDR
Das Bild zeigt Waleri Fjodorowitsch Bykowski, den erfahrenen sowjetischen Kosmonauten und Kommandanten der Sojus 31 Mission im Jahr 1978. Gemeinsam mit Sigmund Jähn, dem ersten Deutschen im All, dockte er erfolgreich an die Raumstation Salut 6 an. Bykowski war bereits 1963 mit Wostok 5 ins All geflogen und stellte dabei einen Langzeitrekord auf. Insgesamt absolvierte er drei Weltraumflüge, war zweifacher Held der Sowjetunion und wurde nach Sojus 31 auch zum Held der DDR ernannt. Das Bild erinnert an eine Schlüsselfigur der sowjetischen und internationalen Raumfahrtgeschichte.
Kennst du schon unser tolles DDR-Quiz? Was weißt du noch alles über die DDR? Teste dein Wissen jetzt!

Die Mission Sojus 31 – Start, Kopplung, Rückkehr

Start: 26. August 1978
Besatzung: Waleri Bykowski (Kommandant), Sigmund Jähn (Forschungskosmonaut)
Ziel: Raumstation Salut 6
Im Orbit: Zusammenarbeit mit der Langzeitbesatzung Wladimir Kowaljonok und Alexander Iwantschenkow (Sojus 29)
Rückkehr: 3. September 1978 – Landung in Sojus 29 (das übliche „Fahrzeugtausch“-Manöver der Salut-Ära)

Die Mission folgte dem Salut-6-Betriebskonzept: Ein erfahrener Kommandant führt einen Interkosmos-Gästekosmonauten zur laufenden Besatzung, Experimente werden durchgeführt, Verbrauchsgüter und Ergebnisse ausgetauscht, anschließend kehrt die Besuchscrew mit dem „älteren“ Schiff zur Erde zurück.

Honecker & Breshnew

Training und Vorbereitung

Das Training fand im Kosmonautentrainingszentrum „Juri Gagarin“ statt und umfasste:

  • Bordsysteme & Notfallprozeduren (Sojus, Salut, Kopplung)

  • Medizinische & vestibuläre Tests (Anpassung an Schwerelosigkeit)

  • Isolations- und Gruppentraining (Teamkommunikation, Arbeitsdisziplin)

  • Überlebenstraining für Landungen in unterschiedlichen Klimazonen

  • Nutzlast- und Experimenttraining, inklusive DDR-Spezialtechnik

Bykowski beschrieb die Zusammenarbeit mit Jähn als kameradschaftlich und hochprofessionell – man „verstand sich wie Brüder“.

Blick in das Kosmonautentrainingszentrum Juri Gagarin bei Moskau, Trainingsort der Sojus 31 Besatzung mit Sigmund Jähn und Waleri Bykowski
Das Bild zeigt einen Blick in das Kosmonautentrainingszentrum „Juri Gagarin“ bei Moskau, das wichtigste Ausbildungszentrum der sowjetischen Raumfahrt. Hier bereiteten sich Waleri Bykowski und Sigmund Jähn intensiv auf ihre Mission Sojus 31 im Jahr 1978 vor. Im Trainingszentrum wurden alle Abläufe – von Notfallprozeduren über medizinische Tests bis zu Kopplungsübungen – unter realistischen Bedingungen simuliert. Die Einrichtung war seit den 1960er Jahren das Herzstück der sowjetischen Kosmonautenausbildung und trug entscheidend zum Erfolg von Interkosmos und der deutsch sowjetischen Zusammenarbeit bei.

Wissenschaftliche Experimente – Interkosmos in der Praxis

Der Besuch auf Salut 6 war ein Laboraufenthalt im Orbit. Schwerpunkte:

  • Erdbeobachtung & Fernerkundung: Multispektrale Aufnahmen zur Landnutzung, Forst- und Gewässeranalyse; Test und Einsatz optischer Systeme aus DDR-Produktion (Feinoptik/Jena).

  • Materialforschung: Kristallisation, dünne Schichten und Legierungen unter Mikrogravitation zur Untersuchung von Struktur- und Reinheitseffekten.

  • Biomedizin & Physiologie: Messungen zu Kreislauf, Muskeltonus, Gleichgewichtssinn; Dosimetrie und Strahlenbelastung im Langzeitbetrieb.

  • Technologiedemonstrationen: Arbeitsorganisation im Vier-Mann-Verbund, Logistik mit Progress-Transportern, Datenerfassung und -übertragung.

Diese Experimente lieferten sowohl anwendungsnahe Daten (z. B. für Kartographie und Ressourcenplanung) als auch grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse über Prozesse in der Schwerelosigkeit.

Sigmund Jähn als Offizier der Nationalen Volksarmee und Fliegerkosmonaut, willensstark und mutig auf dem Weg zum ersten Deutschen im All
Das Bild zeigt Sigmund Jähn in seiner Rolle als Offizier der Nationalen Volksarmee, lange bevor er 1978 mit Sojus 31 als erster Deutscher ins All startete. Sein Weg war geprägt von Willenskraft, Mut und Entschlossenheit. Diese Eigenschaften machten ihn zu einem überzeugten Kommunisten und pflichtbewussten Soldaten, der sich durch Disziplin und Zielklarheit auszeichnete. Jähns Karriere führte vom Jagdflieger über das Studium an der sowjetischen Militärakademie „Juri Gagarin“ bis hin zur Auswahl als Forschungskosmonaut im Interkosmos-Programm.

Salut 6 – Technik, Betrieb, Logistik

Salut 6 markierte einen Generationssprung:

  • Zwei Kopplungsstutzen ermöglichten parallel: Langzeitbesatzung + Besuchscrew/Transporter

  • Versorgung durch „Progress“ (Treibstoff, Wasser, Luft, Ersatzteile, Experimente)

  • Erweiterte Energie- und Lebenserhaltungssysteme für Monate im Orbit

  • Daten- und Filmrückführung über Transportraumschiffe und Rückkehrkapseln

Dieser modulare Betrieb war die Voraussetzung für Interkosmos-Besuche und eine hohe wissenschaftliche Ausbeute.

Sigmund Jähn und Eberhard Köllner stehen vor einem Übungsflug mit der MiG 21 F13, dem modernsten Jagdflugzeug der NVA in den 1960er Jahren
Das Bild zeigt Sigmund Jähn gemeinsam mit Eberhard Köllner vor einem Übungsflug auf der MiG 21 F13. Obwohl Jähn ursprünglich nicht für die Umschulung auf dieses Jagdflugzeug vorgesehen war, setzte er sich mit Ehrgeiz und Disziplin durch und meisterte die Herausforderung. Die MiG 21 F13 galt damals als modernstes Kampfflugzeug der Nationalen Volksarmee und stellte hohe Anforderungen an die Piloten. Für Jähn war diese Ausbildung ein weiterer wichtiger Schritt auf seinem Weg zum Kosmonauten und trug entscheidend zu seiner fliegerischen Erfahrung und Qualifikation bei.

Interkosmos – internationale sozialistische Zusammenarbeit

Die Mission Sojus 31 stand in einer Reihe prominenter Flüge:

  • Sojus 26: Juri Romanenko – Georgi Gretschko

  • Sojus 27: Wladimir Dschanibekow – Oleg Makarow

  • Sojus 28: Alexei Gubarew – Wladimir Remek (CSSR, erster „Interkosmonaut“)

  • Sojus 29: Wladimir Kowaljonok – Alexander Iwantschenkow (Langzeit)

  • Sojus 30: Pjotr Klimuk – Mirosław Hermaszewski (VR Polen)

  • Sojus 31: Waleri Bykowski – Sigmund Jähn (DDR)

Interkosmos war politisch eine Völkerfreundschaft im All – und fachlich ein Katalysator, der wissenschaftliche Geräte, Ingenieurswissen und Ausbildungswege in einem gemeinsamen Programm bündelte.

Auszeichnungen und Würdigung

Nach der erfolgreichen Mission erhielt Sigmund Jähn höchste Ehrungen:

  • Held der Sowjetunion

  • Held der DDR

  • Verdienter Militärflieger der DDR

Die DDR sah in diesem Flug ein Prestigeprojekt: wissenschaftlicher Fortschritt, internationale Anerkennung und ein starkes Signal zum 30. Jahrestag der Republik. Jähns Widmung „seinem sozialistischen Vaterland“ stand sinnbildlich dafür.

Technik am Beispiel der Sojus-Raumschiffe

  • Sojus-Kapsel: Dreiteilig (Orbitalmodul, Landekapsel, Gerätemodul)

  • Landekapsel: Wiedereintrittskörper mit Hitzeschild, Fallschirm- und Bremstriebwerkssystem

  • Avionik & Lebenserhaltung: Redundante Steuerung, automatische und manuelle Kopplungsoptionen

  • Betriebskonzept: „Fahrzeugtausch“ bei Salut-Missionen: Besuchscrew landet in dem zuvor angedockten, jüngeren Schiff der Langzeitcrew

Diese Architektur machte sichere Kopplungen, längere Aufenthalte und reguläre Besuchsflüge erst praktikabel.

Zeitleiste der sowjetischen Pionierleistungen (Auswahl)

  • 1957: Sputnik 1 – erster künstlicher Erdsatellit

  • 1959: Lunik 3 – erste Fotos der Mondrückseite

  • 1961: Juri Gagarin – erster Mensch im All

  • 1963: Walentina Tereschkowa – erste Frau im All

  • 1965: Alexei Leonow – erster Außenbordeinsatz

  • 1966: Luna 9 – erste weiche Mondlandung

  • 1970: Lunochod 1 – erstes Mondmobil

  • 1971: Salut 1 – erste Raumstation

  • 1977–1978: Salut 6 – Progress-Versorgung, Mehrfachkopplungen, Interkosmos

  • 1978: Sojus 31Sigmund Jähn als erster Deutscher im All

Wirkung in der DDR – Symbolik und Alltagsbezug

Der Flug war in Schulen, Betrieben und Massenorganisationen präsent – Ausstellungen, Unterrichtseinheiten, Dia-Reihen und Wandzeitungen machten Raumfahrt anschaulich. Für viele DDR-Bürger wurde Jähn zum greifbaren Vorbild: Technikbegeisterung, Bildungsaufstieg, internationale Kooperation. Zugleich flossen Mess- und Fernerkundungsdaten in konkrete Planungen (Land- und Forstwirtschaft, Hydrologie, Kartographie) ein.

Interkosmos

Zitat und Selbstverständnis

Ich widme meinen Flug dem 30. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik, meinem sozialistischen Vaterland.
Der Satz fasst Anspruch und Zeitgeist zusammen: Forschung im Dienst der Gesellschaft, kollektive Leistung und politischer Auftrag.

Sojus 31 und Salut 6 zeigen, wie Technik, Ausbildung und internationale Zusammenarbeit in der sozialistischen Raumfahrt zusammenspielten. Sigmund Jähn steht dafür, dass Talent, Disziplin und Bildung Wege öffnen – vom Erzgebirge in die Erdumlaufbahn. Wissenschaftlich brachte die Mission greifbare Resultate, politisch war sie ein starkes Symbol. Beides zusammen erklärt, warum dieser Flug bis heute in Erinnerung bleibt.

Quellenhinweis

Materialgrundlage: „SALUT Kosmos – Kleinausstellung für die Sichtagitation“, Militärverlag der DDR (VEB), Redaktion Politische Massenarbeit, Berlin; Redaktionsschluss 30. 08. 1978. Ergänzt um allgemein bekannte Missionsdaten zu Sojus 31/Salut 6 und Interkosmos.

5/5 - (9 Bewertungen)

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert