Sommer, Freunde und erste Liebe: Erinnerungen an Ferienlager in der DDR

Mein Ferienlager: Freiheit, Abenteuer und kleine Romanzen

Wenn ich an meine Kindheit in der DDR zurückdenke, dann gehören die Ferienlager zu den Erlebnissen, die mir wirklich im Gedächtnis geblieben sind. Zwei oder drei Wochen ohne Eltern, aber mit unzähligen Abenteuern – das war jedes Jahr das Highlight des Sommers! Diese Wochen bedeuteten für uns Kinder Freiheit pur, neue Freundschaften und immer wieder kleine und große Überraschungen.

 Vier lachende Kinder laufen an einem Sommerabend durch ein DDR-Ferienlager mit typischen Baracken aus den 1980er-Jahren.
Lachende Kinder laufen an einem Sommerabend durch ein DDR-Ferienlager mit typischen Baracken aus den 1980er-Jahren.

Flecken Zechlin (Mecklenburg) – Mein allererstes Ferienlager führte mich in diese idyllische Seenlandschaft in Mecklenburg. Schon die Anreise war ein Abenteuer: Mit dem Zug voller aufgeregter Kinder, die Taschen voller Proviant, und jeder voller Erwartungen, was da wohl kommt. In Flecken Zechlin roch es nach Kiefern und Wasser, und jeden Tag waren wir baden, sind um den See gelaufen und haben stundenlang im Sand gebuddelt. Die Abende am Lagerfeuer waren legendär – mit Stockbrot, Liedern und jeder Menge Geschichten, die Betreuer und Kinder erzählten.

Doberschütz bei Leipzig – Im nächsten Jahr ging es nach Doberschütz, ein Ferienlager mitten im Grünen. Ich erinnere mich an die endlosen Weiten, das frische Gras unter den Füßen und das erste Mal Zelten unter freiem Himmel. Die Gruppen waren bunt gemischt – Jungs und Mädchen aus verschiedenen Ecken der DDR. Es gab jede Menge Wettkämpfe, Sportturniere und natürlich die große Disko im Aufenthaltsraum, wo man zum ersten Mal richtig tanzte – natürlich ganz schüchtern am Rand.

Rathewalde in der Sächsischen Schweiz – Später landete ich sogar im Ferienlager in Rathewalde, mitten in der Sächsischen Schweiz. Die Felsen, die Wälder, die Luft – alles war aufregend und neu. Wir sind gewandert, geklettert und haben Felsen bestaunt, die man sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Die Natur war hier besonders eindrucksvoll, und abends gab es wieder das berühmte Lagerfeuer – aber diesmal mit Blick auf die Felsen und unendlich viele Sterne am Himmel.

Drei Wochen Polen, Bielsko-Biała – Der absolute Höhepunkt war für mich das dreiwöchige Ferienlager in Bielsko-Biała in Polen. Für mich klang das als Kind immer wie „Pienz-Copiello“. Dort habe ich nicht nur viele neue polnische Freunde gefunden, sondern auch meine erste große Ferienlagerliebe: Tina. Diese drei Wochen waren wie ein anderes Leben: Wir haben zusammen gelacht, gebadet, uns Streiche gespielt und abends beim Abschiedslied heimlich ein paar Tränen verdrückt. Nach dem Lager sind Tina und ich sogar in Kontakt geblieben – ich bin regelmäßig mit dem Zug zu ihr gefahren, was für mich damals unfassbar mutig war. Diese erste Liebe, diese Aufregung und das Herzklopfen vergisst man nie.

Kinder sitzen im DDR-Ferienlager um ein Lagerfeuer, lachen, erzählen Geschichten und genießen einen Sommerabend in gemeinsamer Runde.
Kinder sitzen im DDR-Ferienlager um ein Lagerfeuer, lachen, erzählen Geschichten und genießen einen Sommerabend

Kein Alltag, keine Langeweile – echtes Ferienlagerleben

Das Schönste an diesen Ferienlagern war das Gefühl von Freiheit und Gemeinschaft. Es gab keinen Alltag, keine Langeweile – stattdessen jeden Tag neue Abenteuer: Baden im See, Wandern durch Wälder und Felder, Sportwettkämpfe, Bastelstunden und die Disko am Abend, auf die sich alle freuten. Jeder Tag war anders. Und auch die Betreuer waren meist entspannt – sie passten auf uns auf, aber ließen uns viel Freiheit, selbst etwas zu organisieren.

Wer wollte, schrieb Postkarten an die Eltern, döste einfach in der Sonne oder war mit Freunden unterwegs. Und das Beste: Wir konnten wirklich so sein, wie wir wollten. Die Ferienlager wurden so zu einem kleinen Paralleluniversum, wo der Zusammenhalt zählte, nicht, woher man kam oder wie man aussah.

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Die Nachtwanderung – Mutprobe und Gruselmoment

Ein ganz besonderer Nervenkitzel war immer die legendäre Nachtwanderung. Fast jedes Jahr wagten wir uns nachts, geführt von ein paar Betreuern und bewaffnet mit Taschenlampen, in den dunklen Wald. Das war immer eine Mischung aus Grusel, Aufregung und echter Mutprobe. Die Geräusche im Wald, das Rascheln im Gebüsch, der Schatten der Bäume im Mondlicht – für viele von uns war das fast zu viel. Aber keiner wollte sich die Blöße geben, zurückzubleiben. Hinterher waren wir alle stolz, es geschafft zu haben – und heute muss ich darüber schmunzeln, wie groß die Angst und wie wichtig das Gemeinschaftsgefühl damals war.

 Kindergruppe bei einer Nachtwanderung im DDR-Ferienlager, mit Taschenlampen auf Waldweg, typisch ostdeutsche Kleidung, Betreuer dabei, Sommernacht.
Kindergruppe bei einer Nachtwanderung im DDR-Ferienlager, mit Taschenlampen auf Waldweg

Post von Mutti und Vati: Das große Highlight

Unvergesslich war immer der Moment, wenn Briefe von zu Hause ankamen. Die Post wurde im Schlafsaal vorgelesen, und alle waren neugierig, wer was bekommen hatte. Besonders toll war es, wenn ein kleiner Schein im Umschlag steckte – fünf oder zehn Mark, um sich im Konsum eine Taschenlampe, Süßigkeiten oder ein Andenken zu kaufen. Diese kleinen Gesten waren echtes Glück und wurden von allen gefeiert.

Kulinarische Abenteuer und süße Überraschungen

Das Essen im Ferienlager war oft eine Überraschung. In Polen etwa hatten wir uns alle riesig auf Nudeln mit Tomatensoße gefreut – und bekamen dann Nudeln mit Erdbeersoße! Zuerst waren wir verwirrt, aber dann probierten wir tapfer. Ein anderes Mal gab es ein warmes Getränk, das im Becher fest wurde, sobald es abkühlte – bis heute weiß ich nicht, was das eigentlich war. Solche kulinarischen Anekdoten sorgen heute noch für Lacher bei den ehemaligen Ferienlagerkindern.

Freundschaften, Schwärmereien und die Geschichte mit Tina

Das Ferienlager war immer ein Ort, um neue Freundschaften zu schließen – und manchmal, wie bei mir mit Tina, entstand daraus sogar eine kleine Romanze. Gemeinsames Lachen, erste heimliche Schwärmereien, Baden, Sport und endlose Gespräche prägten diese Wochen. Das war mehr als Ferien – das war Leben lernen.

Gemeinschaft, kleine Dramen und große Geschichten

Natürlich gab es auch mal Heimweh, kleine Dramen, vielleicht Tränen, wenn die beste Freundin plötzlich mit jemand anderem unterwegs war oder jemand Heimweh hatte. Aber meistens wurde am Ende zusammen gelacht, getröstet und weitergezogen. Die Nächte waren lang, im Schlafsaal wurde gekichert, Geschichten erzählt und das Leben war einfach gut.

Ferienlager als kleine Schule fürs Leben

Was bleibt? Ferienlager war viel mehr als nur Urlaub. Es war eine kleine Schule fürs Leben: Hier lernte man Freundschaft, Mut, erste Liebe, Toleranz, Zusammenhalt und ein kleines Stück Freiheit. Die Erinnerungen an die Sommer in Flecken Zechlin, Doberschütz, Rathewalde, Polen, an die Briefe von zu Hause, kulinarische Überraschungen, die Nachtwanderungen und natürlich an Tina – das alles ist heute unbezahlbar.

Der Abschied am letzten Tag fiel immer schwer. Aber die Vorfreude aufs nächste Jahr war garantiert – und das Versprechen, sich wiederzusehen, blieb immer bestehen.

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