Jagdwurst – die Allzweckwaffe der DDR-Küche
Herkunft und Entstehung der Jagdwurst
Die Jagdwurst ist eine traditionelle deutsche Brühwurst, die bereits im 19. Jahrhundert entstand. Ihren Namen verdankt sie vermutlich der Tatsache, dass sie sich gut für Ausflüge, Jagdreisen und Vesperbrote eignete – also als „kalter Braten für unterwegs“. Sie war lange Zeit ein fester Bestandteil bürgerlicher Wurstküche, ehe sie in der DDR zum Alltagsprodukt mit Kultstatus wurde.
Die klassische Jagdwurst besteht aus einer groben und einer feinen Brätmasse aus Schweinefleisch, Speck und Gewürzen. Typisch ist die grobe Einlage, die beim Aufschneiden sichtbar wird. Sie ähnelt dadurch ein wenig einem Fleischkäse oder der italienischen Mortadella, ist aber deutlich herzhafter gewürzt.

Jagdwurst in der DDR – beliebt, bezahlbar, vielseitig
In der DDR war Jagdwurst eine der beliebtesten Wurstsorten überhaupt – nicht nur, weil sie gut schmeckte, sondern weil sie auch überall verfügbar und erschwinglich war. Sie war eine Vesperwurst, Bratwurst, Suppeneinlage und Hauptgericht zugleich.
Warum sie so beliebt war:
• Günstig und verfügbar – auch für größere Familien bezahlbar
• Universell einsetzbar – ob kalt auf die Bemme oder heiß gebraten
• Lange haltbar – ideal für Vorratshaltung
• Keine Exklusivware – sie war fast überall erhältlich, ob Konsum oder HO-Laden
Die Jagdwurst war außerdem Bestandteil vieler Schulspeisungen, Kantinenessen und Heimkostpläne – ihr Geschmack hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.
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Typische DDR-Gerichte mit Jagdwurst
1. Jägerschnitzel (DDR-Variante)
Das berühmteste Jagdwurst-Gericht:
Eine dicke Scheibe Jagdwurst, paniert in Mehl, Ei und Semmelbrösel, knusprig ausgebacken – meist serviert mit Nudeln und Tomatensoße.
2. Soljanka
Die DDR-Version der Soljanka lebte von ihrer Wurstvielfalt – und Jagdwurst war fast immer dabei. In Streifen geschnitten sorgte sie für den herzhaften Biss.
3. Würstchengulasch
Aus Würfeln oder Scheiben Jagdwurst wurde eine einfache, aber beliebte Gulaschvariante mit Paprika und Zwiebeln.
4. Wurstsalat
Kalt aufgeschnitten, mit Essig, Gurke, Zwiebeln und Senf angemacht – ein Klassiker auf jeder kalten Platte.
5. Jagdwurstpfanne
Gebratene Würfel mit Ei, Zwiebel, Gewürzen – ein schnelles Gericht für die späte Schicht.

Jagdwurst damals vs. heute
Damals:
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Meist regional hergestellt, oft im Fleischkombinat
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Günstige Zutaten, dafür kräftig gewürzt
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Dicke Scheiben, feste Konsistenz, intensive Räuchernote
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Viele Familien hatten „ihre“ Lieblingsmarke oder ihren „Hausfleischer“
Heute:
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Große Unterschiede zwischen Ost und West
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In den neuen Bundesländern ist die klassische DDR-Jagdwurst weiter verbreitet
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Im Westen häufig feiner gewürzt, ohne sichtbare Einlage
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Supermärkte bieten mittlerweile viele Varianten: mit Pistazien, Paprika, Käse oder sogar Geflügel
Der Geschmack ist heute oft milder, cremiger – DDR-Kenner vermissen oft „den richtigen Biss“ und die rustikale Würze von früher.
Jagdwurst in der alten Bundesrepublik
Auch in Westdeutschland war Jagdwurst bekannt – aber eher als feine Aufschnittwurst für das Frühstücksbrot. Sie wurde seltener gebraten oder gekocht und war kulinarisch eher Nebensache. Während in der DDR Jagdwurst in der warmen Küche eine große Rolle spielte, war sie im Westen eher Teil der Wursttheke.
Viele westdeutsche Metzger kannten die Bratversion à la DDR nicht – Jägerschnitzel hieß dort: Schweineschnitzel mit Pilzrahmsoße. Bis heute führt das zu lustigen Missverständnissen.

Jagdwurst in der Erinnerungsküche
Für viele ehemalige DDR-Bürger ist Jagdwurst mehr als nur eine Wurst – sie ist ein Stück Kindheit, ein vertrauter Geschmack, ein kulinarischer Fels in der Brandung. In einem Brotpapier gewickelt, als Vesper auf dem Weg zur Schule oder heiß angebraten mit Tomatensoße – Jagdwurst war da, wenn man sie brauchte.
Heute gibt es wieder mehr handwerklich hergestellte Jagdwurst – sogar Manufakturen, die sich auf DDR-Rezepte spezialisiert haben. Auch die Nachfrage nach „DDR-Jägerschnitzel“ wächst, besonders in Gaststätten und Imbissen der neuen Bundesländer.